Ausschnitt aus einem Text von Prof. Dr. Rainer Beck, HdBK Dresden, anläßlich der Ausstellung im Toni-Merz-Museum 2009
[...] Sie ist in der Lage, die Entstehungsstadien ihrer Werke gleichsam fließend zu dokumentieren, mögliche Varianten und Entwicklungen zu simulieren und aufzuzeigen: So könnte es auch sein. Die Relativität unserer Entscheidungen wird sicht bar und führt in eine faszinierend unendliche Fülle von Möglichkeiten, in eine fließende Ästhetik. Wir empfinden Bewegung und Zeit, aber auch unsere Zeitlichkeit, die es uns nicht erlaubt, die Unendlichkeit der Möglichkeiten auszuschöpfen, den Zwang, immer wieder, ohne Kenntnis aller Möglichkeiten, entscheiden zumüssen.
Und so definiert sich urplötzlich aus dem Nebeneinander von Realisiertem und fließender Fiktion ein neues Verständnis des haptisch realisierten Kunstwerks: Nach der Unruhe der Suche wird eine Stille greifbar, die man als monumentale Wucht des statischen Zustands erlebt, die ihre Kraft aus angehaltener Dynaik zieht.
In diese Stille hat Lisa Haselbek in ihren neuen Arbeiten jedoch den Vorläufigkeitscharakter ihrer bildnerischen Entscheidungen hineinkomponiert, indem sie den Kompositcharakter ihrer Werke durch Detailausdrucke, die in sich gleichfalls funktionierende Bildorganismen sind, deutlich macht.
Diese Details sind somit als Ausschnitte Bild im Bilde, jederzeit fähig, auch für sich allein zu existieren und trotzdem Bestandteil eines größeren Ganzen. Unmittelbar wird dadurch der additive Charakter von Haselbeks Bildobjekten sichtbar und die Offenheit ihres Bildraums bewußt: In ihrer Ausschnitthaftigkeit sind sie in einen größeren, ja unendlichen Gesamtzusammenhang hineingedacht.
Exakt in diesem für uns unfaßbaren Vorgang findet der Dualismus zwischen Haptik und Fiktion, zwischen Realisation und Simulation in Lisa Haselbeks Kunst zu geistiger Einheit und hebt sich auf im Ungewissen.
Auszüge aus einem Text von Hajo Schiff, Journalist, Hamburg,
anläßlich der Ausstellung im Künstlerhaus Lauenburg, 2006
Von der Dekonstruktion zur Rekonstruktion
[…] Wir Film- und Fernsehgeschulten, am Computer Arbeitenden und nahezu pausenlos, selbst noch mit unseren tragbaren Telephonapparaten digital Photographierenden mögen ein einzelnes Ölbild vielleicht aus nostalgischen Gründen schätzen, an seine einzigartige Notwendigkeit aber, mögen wir kaum noch glauben. Jedenfalls sind für uns heutige Kunstwerke keine idealen Letztformulierungen mehr (obwohl manche sich das vielleicht immer noch wünschen), sondern die Kunstwerke sind mehr oder weniger gute Erkenntnis-Werkzeuge in einem Prozess.
Lisa Haselbek weiß das und so produziert sie nicht mehr nur einzelne, in sich komplexe Arbeiten.
Sie bringt vielmehr einen ganzen Prozess ins Bild, einen viele Möglich¬keiten einschließenden Prozess, der die Re-Auratisierung des vorher dekonstruierten Bildes mit einschließt. Was bis zu dieser medialen Reflexion für Lisa Haselbek nur eine konsequente Entwicklungsreihe war, entpuppt sich so als ihr eigenes Vokabular, als künstlerisches Repertoire. [...]
Lisa Haselbek wendet sich von der Dekonstruktion zur analytischen Rekonstruktion. Sie zerlegt das Bild in fotografisch oder malerisch zitierte Details, die anschließend von der Reproduktion wieder zum „Original“ und zu einem neuen System arrangiert werden. Der Aufbau ist dabei durch die Künstlerin optimiert, er könnte aber prinzipiell auch immer ganz anders sein – so wie es in den Animationen (z.B. der Serie „Alpenglühen) am Einzelbild vorgeführt wird. Auch hier ist die Ausbreitung der Möglichkeiten selbst zu einer neuen Darstellung geworden, die Wandlungen des Bildes wurden zu einem „Wandelbild“.